Wie Sie eine verdammt gute Rede schreiben
Unterschätzen Sie niemals die Macht der Worte, wenn Sie eine Familienfeier oder ein Fest planen. Aus Worten werden Geschichten und an gute Geschichten erinnern wir uns ein Leben lang. Sie bringen uns zum Schmunzeln oder sorgen für feuchte Augen, sie erschaffen Legenden, inspirieren uns und machen uns Mut. Eine verdammt gute Rede erzählt eine Geschichte.
Es gibt natürlich viele verschiedene Wege, eine Rede zu schreiben. Ich skizziere Ihnen hier ein mögliches Vorgehen, bei dem Sie nicht viel falsch machen können. Wenn Sie mehr über das Reden schreiben und Reden halten lernen wollen, abonnieren Sie doch meinen Newsletter.
Wie Sie anfangen
Bevor Sie mit der Rede loslegen, machen Sie ein kleines Brainstorming mit sich selbst. Schreiben Sie Stichpunkte zu folgenden Themen auf:
Schritt 1 - Anekdote: Welche Anekdoten und gemeinsamen Erlebnisse verbinden Sie mit der Hauptperson und/oder dem Paar? Wann und wo wurde gelacht, geweint, geschimpft, getrunken, geflucht oder gehadert?
Schritt 2 - Charakter: Überlegen Sie, von welcher Anekdote sich besonders gut auf typische Charaktereigenschaften der Person schließen lässt. Aus welchem der Erlebnisse lässt sich ableiten, ob die Person grundsätzlich besonders zuverlässig oder chaotisch, liebevoll oder mutig ist?
Schritt 3 - Metaebene: Notieren Sie, was Ihrer Meinung nach die Person(en) mit dem Anlass der Veranstaltung verbindet. Was hat ein Paar gemeinsam und was nicht (Hochzeit)? Welche Aufs und Abs gab es im Leben (Runder Geburtstag)? Warum passt ein Job perfekt zu einer Person (Firmenjubiläum)? Warum sind christliche Werte wichtig für diesen besonderen Menschen (Konfirmation/Kommunion)?
Wie Sie die Geschichte aufbauen
Dieser Schritt ist magisch. Hier werden Sie nämlich zur Geschichtenerzählerin. Das Prinzip ist simpel: Erzählen Sie vom Kleinen ins Große. Starten Sie mit einer Anekdote und leiten daraus ab, warum sie typisch ist für den Charakter der Person oder die Beziehung eines Paares. Von dort schlagen Sie den Bogen zum Oberthema der Veranstaltung: Warum passt eine Person mit genau diesen Charakterzügen (die Sie aus einer Anekdote ableiten) perfekt zu dem Job, den sie gerade macht? Warum glauben Sie, dass dieses Paar, das so unterschiedlich/ähnlich ist (wie ein gemeinsames Erlebnis beweist), für immer zusammenbleiben wird? Inwiefern ist ein junger Mensch bereits durch christliche Werte geprägt (wie sein Verhalten zeigt) und eine Kommunion/Konfirmation deshalb genau der richtige Weg?
Sie sind noch unsicher? Kein Problem. Ich erkläre Ihnen an einem Beispiel, wie Sie vorgehen:
- Ich habe Frieda in einer Kneipe namens “Trinkteufel” kennengelernt. Um ihren aufdringlichen Verehrer loszuwerden, hat sie ihm erzählt, ich sei ihre feste Freundin. Dabei kannten wir uns gar nicht, ich hatte ihr kurz vorher bloß Feuer gegeben.
- Das ist typisch für Frieda: Sie denkt unkonventionell und fackelt nicht lange. Gleichzeitig versprüht sie dabei so viel Charme und Lebenslust, dass man ihr nichts übelnehmen kann.
- Völlig klar, dass auch Antoni ihrem Charme sofort verfallen ist. Fünf Jahre ist das her und noch immer sind sie das perfekte Paar. Weil sie sich so gut ergänzen: Frieda bringt Antoni mit ihren Verrücktheiten in Schwung und Antoni bringt Frieda zur Ruhe.
Wie Sie einsteigen und wieder aufhören
Oft ist es hilfreich, sich selbst kurz vorzustellen oder in die Geschichte einzubinden. Wer sind Sie, wie ist Ihre Beziehung zu den Hauptpersonen, warum halten ausgerechnet Sie diese Rede? Am Ende der Rede könnten Sie ein Element vom Anfang wieder aufgreifen: “Feuer braucht Frieda heute keines mehr, das Rauchen hat sie längst aufgegeben. Ihre aufdringlichen Verehrer hat sie gegen einen Traummann eingetauscht. Eine Sache aber ist geblieben: dass ich seit dieser Nacht tatsächlich irgendwie Friedas beste feste Freundin geworden bin.”
Wie schreiben Sie leicht und ohne Klischees?
Wenn Sie die richtigen Worte und Formulierungen finden, ist das so, als würden Sie Ihrer Rede etwas Hübsches anziehen. Hier kommen ein paar Profitipps für das sprachliche Outfit: Vermeiden Sie den Nominalstil, verwenden Sie Verben! Statt: “Lachen ist ihr wichtig” schreiben Sie: “Sie lacht gerne.” Statt: “Die Lösung des Problems war eine Herausforderung” sagen Sie: “Um das Problem zu lösen, setzten sie alle Hebel in Bewegung.” Ihr Text wirkt viel lebendiger. Streichen Sie außerdem möglichste viele Adjektive und beschreiben Sie lieber, warum Sie jemanden schön, klug, witzig oder liebenswert finden. Statt: “Ihr schönes Lächeln” formulieren Sie: “Wenn Sie lächelt, erhellt sich der Raum.” Statt “Er ist ein zielstrebiger Mensch” schreiben Sie: “Wenn es ein Problem gibt, findet er eine Lösung.” So vermeiden Sie Floskeln und Ihr Text kommt den Personen viel näher.
Wie Sie Humor in Ihre Rede bringen
Die wichtigste Regel lautet: Machen Sie keine Witze auf Kosten anderer. Niemals. Seien Sie lieber selbstironisch. Als Chef bei einem Firmenjubiläum könnten Sie sagen: “Als ich Cem einstellte, wusste ich natürlich schon, dass er viel schlauer ist als ich. Zum Glück hat er das bis heute nicht gemerkt.” Oder konstruieren Sie einen übertriebenden Vergleich, indem Sie zwei Dinge zusammenbringen, die nichts miteinander zu tun haben. Die erste Sache ist konkret und aus dem wahren Leben, der Vergleich darf völlig übertrieben sein: “Dass Frieda und Antoni sich jemals trennen, ist so wahrscheinlich, als würde der ‘Trinkteufel’ plötzlich Smoothies verkaufen.”
Was kann ich gegen Lampenfieber tun?
Fast hätte ich geschrieben: „Trinken Sie ein Gläschen Sekt!“ Aber das ist natürlich keine Dauerlösung. Wenn Ihnen das Herz vor Aufregung bis zum Hals schlägt: Atmen Sie tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. So lange, bis Ihr Puls ruhiger wird. Machen Sie sich klar: Es kann nichts schiefgehen, alle sind Ihnen wohlgesonnen. Tricksen Sie Ihr Hirn aus und denken nicht daran, was schiefgehen könnte. Stellen Sie sich lieber das Lächeln der Gäste vor und die Umarmung der glücklichen Hauptperson.
Soll ich die Rede vorher üben?
Unbedingt! Je öfter Sie die Rede üben, umso sicherer werden Sie. Halten Sie die Rede ganz unironisch für Ihre Topfpflanze – so als sei sie das Publikum. Laden Sie sich eine Testperson ein und beobachten Sie ihre Reaktionen: An welchen Stellen hat sie geschmunzelt, wo hat sie vielleicht die Stirn gerunzelt? Fragen Sie konkret nach, was Ihrer Testperson besonders gut gefallen hat und was nicht. Nehmen Sie das Feedback ernst und passen Sie Ihre Rede an.
Was mache ich, wenn ich mich verspreche?
Nichts leichter als das! Bereiten Sie einfach ein paar Sprüche vor. Geben Sie zu, dass Sie aufgeregt sind, und die Herzen werden Ihnen zufliegen. Sie könnten sagen: „Entschuldigen Sie bitte, als ich die Rede vor meinem Gummibaum geübt habe, habe ich mich nicht so oft verhaspelt!“ Oder: „An Ihren Gesichtern sehe ich, dass ich viel zu schnell rede. Ich bitte um Verzeihung, es ist einfach ein rasanter Tag.” Die Lacher sind auf Ihrer Seite und Sie können entspannt weitermachen.
Soll ich mir Stichpunkte machen?
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Sie können die Rede komplett ausformulieren und ablesen. Oder Sie notieren nur Stichpunkte und sprechen so, als würden Sie die Geschichte jemandem erzählen. Mit kurzen Sätzen, Dramapausen und Formulierungen, die wie in einem echten Gespräch beweglich und flexibel sind. Ich persönlich finde einen natürlich gesprochenen Satz überzeugender als den kunstvoll ausformulierten Satz, der abgelesen immer etwas steif wirkt.
Was soll ich anziehen?
Bedenken Sie, dass Sie sich bei der Rede hinstellen sollten. Alles daran ist besser: Ihre Präsenz, das Volumen Ihrer Stimme, der Kontakt zum Publikum. Tragen Sie also ein Outfit, das gut aussieht, wenn Sie stehen. Und tragen Sie ein Outfit, in dem Sie sich sicher fühlen! Wer sonst nie einen Schlips trägt, wird sich nicht wohlfühlen. Wer High Heels nicht gewohnt ist, sollte sich nicht damit stressen. Orientieren Sie sich an der Festgesellschaft, ob Sie seriös auftreten müssen oder ob es etwas flippiger sein darf. In jedem Fall sollte die Kleidung nicht zwicken, rutschen oder klappern. Klappern? Ja genau. Manchmal können klirrende Ohrringe, Armbänder oder Ketten enorm stören –, gerade wenn Sie ein Mikrofon benutzen.
Wie lang soll so eine Rede sein?
Ganz ehrlich: 5 starke Minuten, die eine bewegende Geschichte erzählen, sind besser als unsortierte 15 Minuten. Im Journalismus lernt man die goldene Schreibregel: “Kill your darlings.” Gemeint ist, dass die persönlichen Lieblingsstellen die Geschichte oft gar nicht weiterbringen. Also weg damit. Länger als 20 Minuten sollte die Rede auf keinen Fall werden. Das ist die magische Grenze, ab der die Aufmerksamkeitsspanne der Zuhörenden garantiert auf jeden Fall nachlässt – egal, wie gut die Geschichte ist.
Wo gucke ich hin, während ich spreche?
Wenn Sie mit Notizzetteln arbeiten, nehmen Sie sich die Zeit, alle paar Sätze den Blick zu heben und die Hauptperson oder das Publikum anzusehen. Lassen Sie Ihre Worte wirken, schauen Sie in die Gesichter vor Ihnen, nehmen Sie Blickkontakt auf und lächeln Sie, wenn es gerade passt. Sie sollten nicht mit stocksteifer Grimasse vor dem Publikum stehen.
Mikrofon oder lieber ohne?
Fragen Sie vorher bei der Location nach, wie das normalerweise dort gehandhabt wird. Die VeranstalterInnen haben im Zweifel auch das technische Equipment vor Ort. Ich finde auch bei kleineren Gruppen ein Mikrofon oft entspannter, weil ich weiß, dass mich dann jeder gut verstehen kann und ich nicht darauf achten muss, lauter zu sprechen als normalerweise.
Was mache ich mit meinen Händen?
Bitte die Hände weder in den Hosentaschen vergraben noch in die Hüften stemmen, noch die Finger ineinander verkrampfen oder gar die Arme vor der Brust verschränken. Sie können auch mit einer Hand Ihre Notizen oder ein Mikrofon halten. Umklammern Sie aber bitte weder das eine noch das andere mit beiden Händen. Benutzen Sie Ihre Hände, um ihre Worte mit Gesten zu unterstreichen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und viel Spaß bei Ihrer nächsten Rede! Ich hoffe, dass Sie es nach dieser Lektüre kaum erwarten können, selbst loszulegen. Für mich gibt es nämlich wirklich nichts Schöneres, als Menschen mit einer guten Geschichte zu begeistern.